Montag, 18. April 2011

Mail an den Uniprof oder: Der dicke Manfred

Lieber Herr XXX,

ich mag Sie und Ihre direkte Art. Allerdings muss ich unbedingt bezüglich Ihrer
Vorgehensweise bei der Aufstellung von Mannschaften Stellung nehmen:

Ist es nicht ein Relikt des 20. Jahrhunderts, zwei "Teamchefs" die Mannschaften auswählen zu lassen? Der Vorteil liegt auf der Hand: gerechte Teams, schon klar und ok.

ABER wie fühlt sich wohl der "berühmte dicke Manfred" dabei, wenn er stets zwei mal die Woche sein Schulleben lang als letzter gewählt wird? Dieses Gefühl kannte ich als
Sportstudent natürlich nie aus der Schule, wurde mir allerdings in der Uni vor Augen
geführt - ich kannte niemanden und war "der dicke, letzte Manfred". Selbst ich habe mich etwas gedemütigt gefühlt - ist man doch schließlich vor den Augen aller vorgeführt worden "der Außenseiter" zu sein.

Ich stecke das weg, darum geht es nicht. Das Problem sehe ich in der kritiklosen Adaption solcher Praktiken durch die angehenden Sportlehrer - man erinnert sich stets an Ihre im Kern tollen Stunden und wird in der Teamauswahl ebenso vorgehen. Mit dem Ergebnis, dass "der dicke Manfred" stets der letzte sein wird. Eine langjährige Psychologin erzählte mir neulich von einem Klienten, der sein ganzes Schullebenlang ebendies durchlebt hat und bei Reflexion dieser Tragik vor ihren Augen weinend zusammenbrach.

Ich bitte Sie daher:

- die Mannschaftsaufstellung nach Nummern o.ä. zu organisieren, jedoch NIE die Wahl den Schülern (oder in unserem Fall den angehenden Sportlehrern) zu überlassen

- die Gefährlichkeit dieser Praktik auf die Psyche "unsportlicher Menschen" allen Sportstudenten eindringlich aufzuzeigen

- die Gefährlichkeit dieser Praktik auf die Psyche "unsportlicher Menschen" Ihren
Universitätskollegen klarzumachen

Es geht mir wirklich einzig um das Wohl der späteren Generation und hoffe, meine kurzen Ausführungen sind dafür plausibel genug.

Mit bestem Dank und schönstem Gruß!

PS: bitte haben Sie aus naheliegenden Gründen Verständnis für die anonyme E-Mail

Erklärung: Ich studiere längst kein Sport mehr, hatte damals aber "nicht die Eier das vor Ort zu klären". Daher die späte Mail, doch Hauptsache da ändert sich jetzt was! (wetten das tut es nicht, weshalb die Mail 2012 erneut rausgeht - ich erstatte Bericht)

UPDATE: dicker Manfred als Sportstudent

Ein guter guter Studienfreund von mir, der damals mit im Kurs saß, schrieb mir btw bzgl. der Mail:

Heyho,

starkes ding! Kommt aber ganzschön verzögert!!

wobei im Grunde muss ich dir wiedersprechen. ich denke, in einer funktionierenden
gesellschaft ohne übertriebenen leistungswahn und funktionierender klassengemeinschaft
wird jeder akzeptiert- auch wenn er beim sport benachteiligt ist. Dafür sollte der
schüler an anderer stelle stärken zeigen können. ich würde mir eine Klasse wünschen, in
der die schüler lernen, auch mit schwächeren zu spielen und auch die einbindung schwacher
schüler zu meistern. was hier so utopisch klingt ist eigentlich nur eine kommunistische
haltungsweise, nämlich das kollektiv über das individuum zu stellen!
ps was du sagst von dem traumata- das sehe ich mehr als folge vom
gesamtgesellschaftlichen druck, der sich bis auf den sport ausbreitet und versagensängste
erzeugt.

beste grüße!!

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